Veränderungsprozesse und Widerstände. Was uns die Kraft der Märchen verrät
Erinnern Sie sich noch?
Märchen und Mythen können dabei helfen, innere Widerstände, die Veränderungsprozesse behindern, besser zu verstehen. Nachdem Helden in Märchen und Mythen einen Ruf zur Veränderung verspürt haben, zeigen sich zunächst innere und äußere Widerstände. Diese halten die Helden davon ab, den Weg ins Unbekannte zu wagen.
Wegen einer Hungersnot wurden Hänsel und Gretel von ihrer Stiefmutter allein im Wald zurückgelassen. Gretel hatte große Angst. Hänsel aber markierte den Weg nach Hause mit Kieselsteinen. „Sei tapfer, Gretel“, sagte Hänsel. „Wenn der Mond scheint, können wir die weißen Kiesel sehen, die ich auf den Weg gestreut habe. So finden wir den Weg und sind gegen Morgen wieder daheim.“ Hänsel und Gretel gehen so noch einmal zu ihrem Elternhaus zurück, bevor sie sich erneut auf den Weg ins Ungewisse begeben müssen.
Die Erfahrung des Widerstandes kennen Sie sicher auch:
- Erinnern Sie sich an Momente in Ihrem Leben, als Sie bereits wussten, in welche Richtung es gehen sollte, Sie aber immer wieder ausgewichen sind?
- Erinnern Sie sich, dass Ihnen die Veränderungsnotwendigkeit bewusst war, Sie aber immer wieder Gründe fanden, ihr nicht zu folgen?
- Erinnern Sie sich an Situationen, in denen Sie nicht gehandelt haben, obwohl alles dafür sprach?
Ihre Weigerung ist wichtig für Ihre weiteren Veränderungsprozesse
Im Märchen von Hänsel und Gretel verdeutlicht das Innehalten des Handlungsflusses, dass der Abschied und das Loslassen des Vertrauten nicht ohne Risiko sind. Die Zukunft ist ungewiss und wirkt gefährlich. Die verlassenen Geschwister irren im Wald umher, um den Weg zu finden. Als sie physisch völlig erschöpft sind, legen sie sich hin und schlafen.
Hänsel sagte zu Gretel: „Wir werden den Weg schon finden.“ Aber sie fanden ihn nicht. Sie gingen die ganze Nacht und noch einen Tag von Morgen bis Abend, aber sie kamen aus dem Wald nicht heraus und waren so hungrig, denn sie hatten nichts als die paar Beeren, die auf der Erde standen. Und weil sie so müde waren, dass die Beine sie nicht mehr tragen wollten, legten sie sich unter einen Baum und schliefen ein.“
Und wie verkörpert sich der Widerstand bei Ihnen?
- Konnten Sie sich in Veränderungsprozessen Zeit zum Innehalten nehmen, um sich der Gründe Ihrer Weigerung bewusst zu werden?
- Konnten Sie Ihren ambivalenten Gefühlen mit Geduld und Verständnis begegnen?
- Konnten Sie akzeptieren, Ihrem Ruf noch nicht unmittelbar folgen zu können oder zu wollen?
- Konnten Sie der Verführung widerstehen, es sich im Widerstand „gemütlich einzurichten“?
- Konnten Sie sich schließlich Ihrem Veränderungsimpuls wieder öffnen?
Im Märchen müssen Hänsel und Gretel den Weg in die Veränderung gehen. Die Brotkrumen, die ihnen später den Weg nach Hause zeigen sollten, werden von Vögeln aufgefressen. Am Ende des Märchens zeigt sich, dass Hänsel und Gretel ohne diese erste Weigerung nicht vorwärts gekommen wären. Sie bestehen mutig viele Prüfungen. Als Lohn erhalten sie einen Schatz und finden gestärkt und gereift nach Hause.
Wenn Sie rückblickend auf Ihre Veränderungsprozesse schauen:
- Können Sie erkennen, dass es ohne Ihre Weigerung letztendlich auch kein Fortkommen geben konnte?
- Zeigten sich in Ihrem Widerstand bereits auch erste Schritte Ihrer Umsetzung?
- Konnten Sie vielleicht durch Ihre Weigerung Ihren Ruf weiter festigen?
Vielleicht haben Sie ja Lust bekommen, noch einmal ein Lieblingsmärchen oder einen Lieblingsmythos aus Ihrer Kindheit zu lesen. Schauen Sie doch mal, wie sich bei Ihrem Helden die Weigerung zeigt und wie sich aus der Weigerung schließlich die Heldenreise weiterentwickelt.